ZUKUNFT APOTHEKE 2014: Apotheken- vs. Industriemanagement
von Franziska Thiele
Frankfurt - Eigentlich kann die Industrie mit dem deutschen Apothekenmarkt zufrieden sein. Weil es keine Apothekenketten gibt und OTC-Produkte apothekenpflichtig sind, haben es Hersteller in den Verhandlungen deutlich entspannter als in den Jahresgesprächen mit großen Handelskonzernen. Andererseits fehlt aus demselben Grund der Durchgriff auf den Point-of-sale (POS). Dass die Branche dieses Dilemma lösen muss, war Konsens bei der Inspirato-Konferenz „Zukunft Apotheke“ in Frankfurt. Die Frage war nur, wer seine Hausaufgaben zu machen hat.
„Der deutsche Markt verzeiht relativ viel“, sagte Thomas Golly, Partner bei der Unternehmensberatung Sempora. „Sie können als Hersteller mit Produkten und Konzepten experimentieren. In anderen Märkten sind viel größere Investments notwendig, um in die Regale zu kommen.“ Während hierzulande vor allem dem Abverkauf durch den Außendienst eine Schlüsselrolle zukommen, brauche man in anderen Ländern deutliche größere Teams, die professionelle Marketingaktivitäten stringent umsetzten.
Aus diesem Grund ist laut Golly der Markt nicht nur insgesamt ethischer, sondern es gibt auch viel mehr kleinere Produkte und Nischen. Mit anderen Worten: „Wenn die Liberalisierung irgendwann käme, müssten sich gerade viele Mittelständler anstrengen, damit sie nicht aus dem Markt gespült werden.“ Man könne das ganze aber auch positiv sehen: „Jetzt gibt es noch die Chance, mit überschaubaren Mitteln Marken aufzubauen.“
Doch gerade die großen Hersteller sehen die Situation nicht so positiv. Laut Frank Hauerken, OTC-Chef bei Novartis, hat der deutsche Markt Nachholbedarf: Viele Chancen würden vertan, weil Konzepte der Hersteller in den Apotheken nicht nachhaltig umgesetzt würden. „Hier ist viel Sand im Getriebe“, so Hauerken.
Nach wie vor sei der Versandhandel der „absolute Angstgegner“, so Hauerken. „Ich rate den Apothekern und ihren Kooperationen, die Augen aufzumachen und genau hinzusehen, was das Erfolgsrezept des Versandhandels ist. Versandapotheken funktionieren nicht nur über den Preis und nicht nur über Convenience. Hier wird viel investiert in Beratungs- und Betreuungskonzepte.“
Auch Thorsten Kujath, Vertriebsleiter bei Bayer Vital, kritisierte die fehlende Bindung der Apotheken an die Vereinbarungen ihrer Kooperationen mit der Industrie: „Viele Apotheker wissen im Grunde gar nicht, warum sie in ihrer jeweiligen Kooperation sind. Unser Außendienst muss den Mitgliedern permanent erklären, was vereinbart wurde.“
Kujath kritisierte auch, dass die Industrie Zahlteller und Aufsteller produziere, die dann in den Apotheken nicht eingesetzt würden. Das brachte ihm Protestrufe aus dem Publikum ein: Apotheker seien nicht schrullig oder dämlich, sagte Thomas von Künsberg-Sarre aus Stuttgart. Die Industrie solle vor ihrer eigenen Haustür kehren; bei Bayer etwa habe er in den vergangenen Monaten drei Außendienstwechsel erlebt.
Antje Lorek aus Kiel pflichtete bei: Dass Zahlteller bestellt würden, sei oft auf die Konditionen der Hersteller zurückzuführen. Dr. Stefan Hartmann aus Bayern forderte die Hersteller auf, ihr „Industriemanagement“ zu verbessern. Dass es auf der Seite der Apotheke mitunter an Verbindlichkeit fehle, sei eben der Tatsache geschuldet, dass es sich um unabhängige Unternehmer handele.
Die Diskussionsrunde endete versöhnlich: Kujath räumte ein, dass auch die Industrie ihre Hausaufgaben zu machen habe. „Wir müssen uns beide in Bewegung setzen: Die Apotheken müssen lernen, manchmal betriebswirtschaftlicher zu denken. Wir Hersteller müssen lernen, wie Apotheke funktioniert.“
Laut Kujath fehlt den Hersteller manchmal der Mut, neue Wege zu gehen. „Wir verbringen 90 Prozent unserer Zeit damit, über Konditionen zu verhandeln. Das ist oft kein partnerschaftliches Verhältnis mehr.“ Ein möglicher Ansatz könnte die Fokussierung auf das tatsächliche Endverbrauchergeschäft in der Apotheke sein: „Natürlich ist es am einfachsten, in den Apotheken über eine entsprechende Bevorratung einen Abverkaufsdruck zu erzeugen. Viel nachhaltiger wäre es, anstelle des Sell-in den Sell-out zu betrachten. Aber das müssen auch wir erst noch lernen.“